Reshma Qureshi ist an einem schönen Maitag im Jahr 2014 in der nordindischen Stadt Allahabad mit ihrer älteren Schwester unterwegs. Diese hat vor Kurzem ihren gewalttätigen Ehemann verlassen und lebt mit ihrem kleinen Sohn wieder bei ihren Eltern.
Plötzlich springt der verlassene Mann, der hinter einer Hausecke auf die beiden gelauert hat, auf sie zu und spritzt Säure in die Richtung von Reshmas Schwester. Sie schreit und ruft, Reshma solle schnell wegrennen. Reshma rennt, aber sie kommt nicht weit.
Der Mann und seine zwei Komplizen verfolgen sie, werfen sie zu Boden und schütten ihr die Säure ins Gesicht. Die Substanz zerfrisst ihr Gesicht, zerstört ihr linkes Auges und lässt die junge Frau fast blind und schrecklich entstellt zurück.
Sie erhält keinerlei staatliche Unterstützung, um die zahlreichen nötigen Operationen zu bezahlen. Sie leidet unter Angstzuständen und entwickelt eine schwere Depression, traut sich neun Monate lang nicht aus dem Haus und denkt an Selbstmord.
Erst die Organisation „Make Love Not Scars“ („Bringt Liebe, keine Narben“) verschafft ihr das Geld für chirurgische Hilfe und schafft es, sie aus ihrer Verzweiflung herauszuholen. Sie gewinnt neuen Lebensmut, wagt es wieder, der Welt ihr Gesicht zu zeigen, und hat sogar einen eigenen Youtube-Kanal, auf dem sie Schönheitstipps gibt und Schminktricks erklärt.
Zusätzlich ist sie Aktivistin für „Make Love Not Scars“ und setzt sich dafür ein, den freien Verkauf von Säure in Indien gesetzlich einschränken zu lassen. Der oberste Gerichtshof Indiens berichtet, dass jedes Jahr mehr als 1.000 Frauen mit Säure angegriffen werden – aus Eifersucht, Wut über Zurückweisung, oder einfach, weil jemand wütend auf sie war.
Und jetzt hatte die ganze Welt Gelegenheit, sie zu sehen: Die Modedesignerin Archana Kocchar bat Reshma, bei der New York Fashion Week als Model ihre Kollektion auf dem Laufsteg zu präsentieren.
In einem bunten Kleid schreitet Reshma wie eine Königin den Laufsteg entlang. Sie sagt, sie sei unglaublich glücklich und fühle sich so schön wie nie zuvor.
Sie weigert sich, als Opfer bezeichnet zu werden. „Ich habe den Angriff überlebt, oder? Wieso soll ich ein Opfer sein?“
Was für ein wunderschöner Mensch.