Tödliche Amokläufe an Schulen sind in den letzten Jahren so häufig verübt worden, dass Nachrichten über solche Taten inzwischen zur schrecklichen Gewohnheit geworden sind. 1999 führten die Morde an der Highschool in Columbine noch zu einem weltweiten Aufschrei, heute scheinen sich die einzelnen Mordtaten kaum noch auseinanderhalten zu lassen.
In US-amerikanischen Bundesstaaten hat dieser katastrophale Zustand zu heftigen Debatten um das Waffenrecht geführt. Hier kaum vorstellbar, gehört es in den USA zum Selbstverständnis, Schusswaffen frei erwerben und mit sich tragen zu dürfen. Während überlebende Schüler und die Angehörigen der Ermordeten verzweifelt für eine Verschärfung dieser Regelungen kämpfen, um zukünftige Amokläufe zu verhindern, beharren Vertreter der einflussreichen Waffenlobby NRA darauf, dass Schusswaffen nicht das Problem seien. Im Gegenteil, sie plädieren sogar dafür, das Lehrpersonal an Schulen mit Handfeuerwaffen auszustatten – um im Ernstfall Schüler niederzuschießen.
Was so grausam und zynisch klingt, dass es kaum zu fassen ist, rechtfertigen die Waffenfreunde mit dem Bild des allzeit bereiten Revolverhelden, des „good guy with a gun“ (des „guten Mannes mit einer Schusswaffe“), der einen Amokschützen tötet, bevor dieser andere ermorden kann. Ob und wie dieses Szenario funktionieren kann, ist fraglich, da es eher aus einem Western oder Actionfilm zu stammen scheint, als der Realität zu entspringen. Die Vorstellung von Lehrern, die mit Waffengewalt gegen „verdächtige“ Kinder und Teenager vorgehen, ist grässlich genug.
Ein Lehrer der Parkrose Highschool in Portland im US-Bundesstaat Oregon hat jetzt in einer extremen Bedrohungssituation gezeigt, was ein wahrer guter Mann ist.
Keanon Lowe, der Sportlehrer und Football-Trainer der Schule, war gerade auf dem Weg durch die Gänge des Gebäudes, als er um eine Ecke bog und plötzlich direkt vor einem Schüler stand, der eine Schrotflinte in den Händen hielt.
Lowe sah seinem 18-jährigen Gegenüber in die Augen und wusste: Dies war eine echte Waffe und eine reale Gefahr. Er handelte, ohne nachzudenken. Mit einem schnellen Schritt war er bei dem Schüler, nahm ihm das Gewehr aus den Händen und trat damit von ihm zurück. Der Junge kam ihm hinterher, Lowe ging weiter rückwärts durch den Gang, legte ihm eine Hand auf die Schulter, begann, auf ihn einzureden, und ließ ihn die Schrotflinte nicht erreichen.
Ein zufällig vorbeikommender Schüler sah die Szene, sah das Gewehr und wich erschrocken zurück. Lowe schritt sofort zwischen ihn und den Angreifer, der inzwischen eher verzweifelt als bedrohlich wirkte. Der Lehrer reichte die Waffe an den anderen Jungen weiter und zog den verhinderten Amokschützen in eine Umarmung.
Der Junge ließ sich umarmen, hielt sich an Lowe fest und begann zu weinen. „Ehrlich gesagt, tat er mir leid“, erklärt Lowe. „Er brach zusammen und ich wollte nur, dass er merkt, dass ich für ihn da bin. Ich sagte ihm, dass ich da war, um ihn zu retten, dass sein Leben wert ist, gerettet zu werden.“
Die ganze dramatische Szene wurde von der Überwachungskamera der Schule aufgezeichnet und kann hier angesehen werden:
Lowe hielt den Jungen im Arm, setzte sich mit ihm auf den Boden und sprach mit ihm, bis die Polizei eintraf und ihn verhaftete.
Wie sich mittlerweile herausstellte, war die Flinte nur mit einer Patrone geladen. Der Schüler litt an psychischen Probleme und hatte vor, sich umzubringen. Seit dem Vorfall wurde der junge Mann zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und soll psychologische Hilfe erhalten.
Was auch immer den 18-Jährigen hat glauben lassen, dies sei die letzte Lösung seiner Probleme – Keanon Lowe hat an diesem Tag mehr getan, als nur Leben zu retten. Er hat seinem Schüler gezeigt, dass Mitgefühl und Menschlichkeit immer der Weg sind, den zu gehen sich lohnt. Er ist ein wahrer Lehrer und ein wahrer Held.