Wenn die 22-jährige Kanadierin Cassandra Naud durch die Straßen läuft, starren die Leute sie an. Cassandra hat den durchtrainierten Körper einer Tänzerin und große braune Rehaugen. Aber die Blicke der Menschen bleiben meist an einem Punkt, unterhalb ihres rechten Auges, hängen.
Die junge Frau wurde mit einem großen Muttermal geboren. Sie leidet an Hypertrichose, wobei es an einer üblicherweise unbehaarten Stelle zu starkem Haarwuchs kommt. In Cassandras Fall mitten in ihrem Gesicht.
Schon als sie geboren wird, steht sie kurz davor, unters Messer gelegt zu werden. Da das Muttermal durch mehrere Hautschichten hindurch geht, ist eine Schönheits-Operation der einzige Weg es zu entfernen. Doch die Ärzte warnen die Eltern. Bei dem Eingriff könnte es zu starken Narben kommen und sogar ein Auge dauerhaft beschädigt werden. Die Eltern hadern lange und entscheiden sich schließlich gegen die OP.
Das Mädchen ist ständig bohrenden Blicken sowie den Hänseleien ihrer Mitschüler ausgesetzt. „Es war hart mit ihren grausamen Bemerkungen umzugehen, ich musste oft mit den Tränen kämpfen und fühlte mich hässlich“, erzählt Cassandra. Mit 13, mitten in der Pubertät, hält sie es nicht mehr aus: Tränenüberströmt bittet sie ihre Eltern darum, das Mal von ihrer Wange entfernen zu lassen. Doch im allerletzten Moment entscheidet sie sich gegen den Eingriff und für ihre Einzigartigkeit.
„Ich bin wirklich froh, dass meine Eltern das Muttermal als Teil von mir gelassen haben“, sagt Cassandra heute. „Es unterscheidet mich von anderen und es hat mich noch nie von etwas abgehalten.“ Im Gegenteil: Nach der Schule geht die Kanadierin nach Los Angeles, um Tanz zu studieren. Ihre auffällige Gesichtszeichnung macht sie individuell und sie bleibt den Leuten im Gedächtnis. Aber nicht immer positiv. Bei einem Casting sagt man ihr, sie solle ihre Bilder bearbeiten lassen und die dunkle, haarige Stelle in ihrem Gesicht wegretuschieren. Cassandra ist geschockt – aber sie weigert sich. Denn sie will sich für nichts und niemanden verändern. Sie fühlt sich schön, ganz so wie sie ist.
Ihr Erfolg als Tänzerin, ihr Freund und ihre Familie unterstützen sie darin. Das Leben hat die hübsche, junge Frau vor allem eines gelehrt: „Die Leute sollten ihre Einzigartigkeit schätzen. Die Zeiten ändern sich, man sollte sich nicht mehr anstrengen, um sich anzupassen und „normal“ auszusehen.“
Cassandra hat mit 22 Jahren endlich das Selbstbewusstsein erlangt, um sich gegen gängige Schönheitsideale aufzulehnen.