Zwillinge begeistern uns, Drillinge sind schon etwas sehr Besonderes, und Vierlinge können wir uns kaum noch vorstellen. Kein Wunder, denn Mehrlingsschwangerschaften sind bis heute mit einem großen Risiko verbunden. Umso faszinierender ist die Geburt der gesunden Fünflingsmädchen der Familie Dionne.
Am 28. Mai 1934 wurden Yvonne, Annette, Cécile, Émilie und Marie mit Hilfe des Landarztes Dr. Allan Roy Dafoe und zweier Hebammen in einer Hütte ohne Wasser und Stromversorgung in Corbeil in der kanadischen Provinz Ontario geboren. Man hatte nicht mit dieser hohen Anzahl an Kindern gerechnet und war von einer Zwillingsgeburt ausgegangen. Zu diesem Zeitpunkt hatte es noch nie eine Fünflingsgeburt mit fünf überlebenden Kindern gegeben. Die eineiigen Mädchen wogen jeweils weniger als 1.000 Gramm.
Von der Krippe ins Scheinwerferlicht
Ihre Eltern, Elizire Legros und Oliva Dionne, waren ein armes Farmerpaar. Die Geburt ihrer Kinder machte sie berühmt. Da die Dionnes sich in einer finanziellen Notlage befanden, beschlossen sie, ihre Töchter als Sensation auf der Weltausstellung in Chicago auszustellen. Daraufhin entzog die Regierung Ontarios ihnen 1935 sowohl das Sorge- als auch das Umgangsrecht.
Die fünf Mädchen wurden anschließend in einem Krankenhaus von ihrem Geburtshelfer Dr. Allan Roy Defoe und drei weiteren Pflegern erzogen und als wissenschaftliche Studienobjekte missbaucht. Außerdem ließ der Doktor die ihm anvertrauten Kinder zeitweise als Werbefiguren für Maissirup und die Quaker Oats Company schauspielern. Er wurde durch die Vermarktung der Mädchen reich und berühmt.
Die Ausbeutung geht weiter
Die Mädchen waren zwar ihren Eltern wegen des missbräuchlichen Zurschaustellens weggenommen worden, doch die Behörden verhielten sich keinen Deut besser: Nach dem Umbau des Freizeitparks Quintland wurden die fünf Geschwister zwei- bis dreimal täglich ca. 6.000 Besuchern hinter einseitigem Spiegelglas vorgeführt. Diese Aktion brachte der kanadischen Staatskasse Einnahmen von etwa 500 Millionen Dollar.
Der Freizeitpark wurde dadurch zu jener Zeit zur größten Touristenattraktion Ontarios. Zudem führten die Fünflinge vor dem Publikum verschiedene Vorstellungen auf. Es gab unzählige Fanprodukte von den Mädchen, von Puppen bis zu Kalendern.
1943 kamen die Mädchen mit Hilfe eines Anwalts wieder zurück zu ihren Eltern, doch dort erging es ihnen schlecht: Beide Elternteile misshandelten sie, vom Vater wurden sie sogar sexuell missbraucht. Als sie 19 waren, verließen Yvonne, Annette, Cécile, Émilie und Marie ihre Eltern und brachen für immer den Kontakt mit ihnen ab.
Rückkehr zu den Eltern
Als Folge der Ausbeutung und der Misshandlungen litten die Schwestern ihr Leben lang unter psychischen und persönlichen Problemen: Alkoholismus, bipolaren Störungen und, daraus resultierend, zerbrochenen Ehen. Émilie starb im Alter von 20 Jahren am 6. August 1954 an einem epileptischen Anfall, Marie starb am 27. Februar 1970 an einem Hirnthrombus.
Kampf um Gerechtigkeit
1997 verklagten die letzten drei überlebenden Schwestern die Regierung von Ontario auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Mit Erfolg: Ihnen wurden 4 Millionen kanadische Dollar zugesprochen.
Annette und Cécile sind die einzigen zwei Schwestern, die heute noch leben.
In diesem Video kannst du dir ihre ganze Geschichte ansehen (auf Englisch):
Nur weil sie eineiige Fünflinge waren, mussten diese fünf Schwestern ihr Leben lang leiden. Kaum zu glauben, dass Menschen wehrlosen Kindern etwas so Furchtbares antun können.
Quelle: Little Things
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