Die Polizei ist dafür da, uns zu beschützen. Schutzmänner und -frauen sollen dafür sorgen, dass wir ohne Angst um Leib und Leben vor die Tür gehen können. Doch was ist, wenn unser „Freund und Helfer“ selber zum potenziellen Feind wird?
In den USA ist die Angst vor rassistisch motivierter Polizeigewalt für Menschen mit dunkler Hautfarbe traurige Alltagsrealität – und zwar bereits lange vor Entstehung der „Black Lives Matter“-Bewegung. Wie tief diese Angst in den Herzen vieler dunkelhäutiger US-Bürger sitzt und ihr gesamtes Leben bestimmt, zeigt ein bewegendes Video, das der 18-jährige Cameron Welch aus Houston, Texas, im Internet geteilt hat.
„Nur einige ungeschriebene Regeln, die meine Mutter mir als jungem, schwarzem Mann eingeimpft hat“, schreibt Cameron zu dem Video, das er auf der Plattform TikTok veröffentlicht. So unscheinbar diese Verhaltensregeln auch sind, sie halten doch dem allgegenwärtigen Rassismus in der Gesellschaft auf schonungslose Weise den Spiegel vor:
- Stecke deine Hände nicht in die Hosentaschen.
- Ziehe keinen Kapuzenpulli an.
- Laufe draußen nicht mit freiem Oberkörper herum.
- Bleib mit deinen Leuten in Kontakt, auch wenn du nur um den Block gehst.
- Gehe nicht zu später Stunde aus dem Haus.
- Fasse nichts an, das du nicht kaufen willst.
- Verlasse ein Geschäft nie ohne Kassenbon oder Einkaufstüte, auch wenn du nur ein Päckchen Kaugummi kaufst.
- Erwecke nie den Eindruck, du würdest dich mit jemandem streiten.
- Gehe nie ohne Personalausweis aus dem Haus.
- Ziehe kein Trägerhemd an, wenn du mit dem Auto fährst.
- Ziehe kein Kopftuch an, wenn du mit dem Auto fährst.
- Zeige dich weder mit Trägerhemd noch mit Kopftuch in der Öffentlichkeit.
- Höre keine laute Musik im Auto.
- Schaue keine weiße Frau an.
- Wenn dich Polizisten grundlos anhalten und dir Fragen stellen, beschwere dich nicht, sondern zeige dich kompromissbereit.
- Wenn du von der Polizei angehalten wirst, lege deine Hände auf das Armaturenbrett und frage, ob du Führerschein und Fahrzeugpapiere hervorziehen darfst.
Hier kannst du das Video (auf Englisch) sehen:
Jede dieser Regeln zielt darauf ab, sich unauffällig zu verhalten und bloß nicht die Aufmerksamkeit von Polizisten zu erregen. Das Erschreckende daran: So übertrieben und unverständlich die Regeln für Nicht-Betroffene wirken, gehören sie doch für viele dunkelhäutige Menschen zum Alltag – Cameron befolgt sie, seit er 11 Jahre alt ist.
Sie beruhen auf dem Vorurteil, dass schwarze Menschen häufiger kriminell und gefährlich seien als weiße. Gemäß dieser rassistischen Logik wird das Begutachten eines Artikels im Geschäft schnell als geplanter Ladendiebstahl, eine Hand in der Tasche als versteckte Waffe ausgelegt.
Wie schnell solche Vorurteile zu einem grausamen Ende führen, hat zuletzt der gewaltsame Tod des Afroamerikaners George Floyd in Minneapolis gezeigt. Auf Videoaufnahmen von Passanten war zu sehen, wie der Mann durch unverhältnismäßige Polizeigewalt ums Leben kam, obwohl er offensichtlich keine Bedrohung dargestellt und sich kooperativ gezeigt hatte.
„Ich wollte, dass die Leute wirklich und wahrhaftig erfahren und begreifen, welche Erfahrung ein Schwarzer jeden Tag macht“, sagt Cameron. Das ist dem Teenager mit seinem Video auf einfache und trotzdem eindrucksvolle Weise gelungen: Millionen Menschen haben es sich bereits angesehen und viele konnten sich in Camerons Regel-Katalog wiederfinden. „Ich will, dass die Leute einsehen, dass wir uns ändern müssen und dass kein Mensch so leben soll“, fordert der junge Mann. Neben den zahlreichen Protesten und Aktionen der „Black Lives Matter“-Bewegung ist auch Camerons aufrüttelndes Video ein wichtiges Statement gegen Hass und Rassismus.
Vorschaubild: © TikTok/skoodupcam