Die Tragödie der Blanche Monnier liegt zwar schon über ein Jahrhundert zurück, doch sie hat bis heute nichts an Grausamkeit eingebüßt. Die Französin wurde in der Blüte ihres Lebens in einen dunklen Raum gesperrt und musste dort für 25 Jahre ausharren – gefangengehalten von ihrer eigenen Mutter.
Ans Tageslicht kam diese unmenschliche Tat durch einen anonymen Brief, den ein hoher französischer Justizbeamter am 3. Mai 1901 erhielt. Darin stand geschrieben:
„Ich habe die Ehre, Sie über einen sehr ernsten Vorfall in Kenntnis zu setzen. Es handelt sich um eine alte Jungfer, die im Hause der Madame Monnier festgehalten wird. Sie ist halb verhungert und lebt seit 25 Jahren von verdorbenen Abfällen und ihrem eigenen Unrat.“
Besagte Madame Louise Monnier entstammte einer hoch angesehenen Aristokratenfamilie. In ihrer Gemeinde, dem französischen Poitiers, genoss sie einen tadellosen Ruf und war für ihr soziales Engagement bekannt. Entsprechend schockiert war man, dass sich im Hause Monnier so etwas Erschütterndes ereignet haben sollte. Trotzdem gingen die Behörden dem Hinweis nach. Was sie dann fanden, versetzte das ganze Land in Schockstarre.
Aus einer verschlossenen Dachkammer des Hauses drang ein fürchterlicher Gestank. Die Polizisten brachen in das Zimmer ein und fanden eine extrem abgemagerte Gestalt vor.
Der Polizeireport beschreibt ein Bild des Grauens: „Die Unglückliche lag komplett nackt auf einer gammeligen Strohmatratze. Sie war umgeben von einer Kruste aus Exkrementen, Fleisch, Fisch und Gemüse, und Kakerlaken liefen über ihr Bett. Die Luft war so schlecht, dass man nicht atmen konnte.“
Weil der Gestank so unerträglich war, versuchten die Beamten, in dem finsteren Raum das verbarrikadierte Fenster zu öffnen, was ihnen nur unter größtem Kraftaufwand gelang. Die nur noch 26 kg schwere Blanche Monnier hielt schützend die Hände vor die Augen. Sie hatte seit 25 Jahren kein Sonnenlicht gesehen.
Sie kam sofort ins Krankenhaus, ihre Mutter und der ebenfalls im Haus lebende Bruder wurden währenddessen verhaftet. So offenbarte sich die unfassbare Geschichte der mittlerweile 50-jährigen Gefangenen, die von den unbeschreiblichen Umständen aufs Tiefste gezeichnet war.
Blanche Monnier war einst eine junge Frau, die aufgrund ihrer außergewöhnlichen Schönheit und ihres sozialen Status viele Verehrer und Heiratskandidaten hatte. Doch mit 25 Jahren verliebte sie sich unsterblich in einen älteren, mittellosen Anwalt. Eine Verbindung, die Mutter Louise absolut missbilligte.
Als ihre Tochter auf einer Ehe bestand, griff die Mutter zu drastischen Maßnahmen. Sie sperrte ihre Tochter in die dunkle Dachkammer und ließ sie nie wieder heraus. Louise und ihr Sohn Marcel leben unterdessen ganz normal im Haus weiter und gaben vor, den angeblichen plötzlichen Tod der jungen Frau zu betrauern.
Vor Gericht behaupteten Louise und Marcel Monnier, Blanche sei verrückt geworden und habe nie versucht, ihrer Lage zu entfliehen. Dabei hatte die eingesperrte Frau oft versucht, Nachbarn mit Schreien durch das verbarrikadierte Fenster auf sich aufmerksam zu machen – leider vergeblich.
Ihre Mutter verstarb nur 15 Tage nach Blanches Rettung. Ihr Bruder wurde wegen Mittäterschaft zu einem Jahr Haft verurteilt, aber kurz darauf wieder freigesprochen.
Blanche hatte aufgrund ihres ein Vierteljahrhundert währenden Martyriums schwere bleibende psychische Schäden erlitten. Sie verbrachte die restlichen 12 Jahre ihres Lebens in einer psychiatrischen Klinik, wo sie im Jahre 1913 verstarb.
Unvorstellbar, wie Blanche Monnier von ihrer eigenen Familie jahrzehntelang auf unmenschlichste Art und Weise gequält wurde – nur weil sie an ihrer großen Liebe festhalten wollte. Ein Schicksal, das einen auch heute noch zutiefst erschüttert.
Vorschaubild: © Pinterest