Von vielen Menschen, die uns im Laufe unseres Lebens begegnen, wissen wir vorher nicht, wie wertvoll und unersetzlich sie für uns einmal werden sollen. Eine einst flüchtige Bekanntschaft kann schon mal einen so großen Platz in unserem Herzen einnehmen, dass sie uns bis ans Ende unserer Tage begleitet.
So ergeht es auch der 34-jährigen Katharina Gröne, die auf einer Wandertour an der Westküste der Vereinigten Staaten auf eine fremde Frau trifft, die ihr kurze Zeit später das Leben retten wird.
Der Pacific Crest Trail (kurz „PCT“ genannt) an der Westküste der USA ist eine beliebte Wanderroute, die sich von Kanada bis zur Grenze von Mexiko erstreckt. Wer es mit der 4.279 Kilometer langen Strecke aufnehmen will, sollte sich jedoch darüber im Klaren sein, dass ein Großteil der Route des PCT durch die unberührte Wildnis Nordamerikas führt. Wer keine Angst vor Wölfen und Bären hat und zudem körperlich fit genug ist, die bis zu sechs Monate lange Wanderung auf sich zu nehmen, kann diese anspruchsvolle Herausforderung mit Ausdauer und Mut tatsächlich meistern.
Die in München lebende Deutsche Katharina Gröne nimmt diese Herausforderung an und will den Pacific Crest Trail zudem ganz allein bezwingen. Auf ihrem langen Weg schließt sie sich hin und wieder anderen Wanderern an, mit denen sie einzelne Streckenabschnitte gemeinsam bewältigt. Als sie nur noch knapp 300 Kilometer vom Ziel entfernt ist, trifft sie auf Nancy Abell. Die beiden Frauen beschließen, ein Stück des Weges gemeinsam zu wandern, und kommen dabei ins Gespräch.
Nancy erfährt von Katharina, dass diese trotz schlechter Witterungsbedingungen auf dem Weg zur Spitze des „Glacier Peak“ ist, einem aktiven Vulkan im Norden des US-Bundesstaates Washington. Nancy, die in dem umliegenden Gebiet groß geworden ist und die tückischen Wetteränderungen des Vulkangebietes sehr gut kennt, versucht noch, die junge Frau von ihrem Vorhaben abzuhalten.
„Sie kam aus Deutschland, kannte sich in der Wildnis nicht aus und der Glacier Peak macht sein ganz eigenes Wetter“, erzählt Nancy in einem Interview.
Besondere Sorgen bereitet ihr, dass Katharina keine geeignete Kleidung für den Weg auf einen verschneiten Vulkan trägt:
„Wäre sie meine Tochter gewesen, hätte ich niemals zugelassen, dass sie so unvorbereitet einen Gipfel stürmt.“
Katharina, die schon das Ziel vor Augen hat, lässt sich jedoch nicht von ihrem Vorhaben abhalten. Ein schwerwiegender Fehler, wie sich später herausstellt.
Nach zwei Stunden, die die beiden Frauen noch gemeinsam wandern, tritt Nancy schließlich den Heimweg an und Katharina setzt ihren Weg allein fort. Doch als Nancy zu Hause ankommt, geht ihr die junge Frau einfach nicht mehr aus dem Kopf. Das Wetter in der Region verschlechtert sich von Tag zu Tag und sie beginnt, sich ernsthaft Sorgen um Katharina zu machen. Nancy hört auf ihr Bauchgefühl und verständigt 7 Tage nach ihrem Treffen mit Katharina die Bergwacht mit der Bitte, die junge Deutsche zu suchen. Auch die Rettungskräfte erkennen die Gefahr und überfliegen das Gebiet großräumig mit dem Helikopter, um Katharina zu finden.
Währenddessen steckt Katharina tatsächlich in ernsten Schwierigkeiten. Ihr Schlafsack und ihre Kleidung sind völlig durchnässt und auch die Lebensmittel sind ihr mittlerweile ausgegangen. Dehydriert und unterkühlt gerät sie dann auch noch in einen heftigen Schneesturm und ruft in ihrer Verzweiflung um Hilfe, doch kein anderer Wanderer ist bei diesem Wetter unterwegs. In Todesangst schreibt sie ihrer Familie in Deutschland eine WhatsApp-Nachricht, in der sie sich dafür entschuldigt, die Gefahr, in der sie sich nun befindet, so leichtfertig unterschätzt zu haben. Doch Katharina hat Glück, die Rettungskräfte können sie trotz des Schneesturms anhand ihrer roten Jacke ausfindig machen und bergen.
Als Katharina von den Rettungskräften erfährt, wer die Suche nach ihr ins Rollen gebracht hat, ist sie Nancy unendlich dankbar:
„Ich war ihr nicht egal. Sie hat meinen Glauben an die Menschheit wieder hergestellt.“
Hier kannst du dir ein Video zu der Rettungsaktion ansehen (auf Englisch):
Bei ihrem waghalsigen Abenteuer erlitt die 34-Jährige zwar eine Unterkühlung und leichte Erfrierungen, doch sie hat auch eine Freundin fürs Leben dazugewonnen. Der mütterliche Instinkt von Nancy Abell hat Katharina das Leben gerettet. Die beiden sind immer noch miteinander in Kontakt und haben sich mittlerweile eine enge Freundschaft aufgebaut.